Montag, 6. März 2006
Erster Gruss aus Quito
djauhara, 20:12h
So, jetzt bin ich seit 1 Tag und 2 Naechten in Quito – und muss mich zuerst an die amerikanische Tastatur gewoehnen.
In den letzten 2 Tagen habe ich einiges erlebt, deswegen fang ich einfach bei Adam und Eva an. Dankenswerter Weise hatte sich am Freitag Abend mein Chauffeur, mein Vater, bei mir eingefunden. Trotzdem machten wir aus, dass wir um 4:15 aufstehen, falls es schneien sollte und wir doch mit der S-Bahn fahren muessen. Der Wecker klingelt, ich steh auf und suche langsam aber sicher meine 7 Sachen zusammen, als sich die Tuer oeffnet: „Beeil Dich, es hat geschneit! Ich weiss nicht, ob die schon vor 5 in der Frueh den Mittleren Ring raeumen...“. Oh, herzallerliebstes Jesuskind, womit habe ich das verdient? In Madrid habe ich nicht soviel Zeit, um umzusteigen, der Anschlussflug geht 1,5 Std. nach Ankunft... HOFFENTLICH haben wir nicht zu viel Verspaetung!!!
Zehn vor 5 waren wir auf der Piste und schlichen ueber 5 cm Neuschnee zum Mittleren Ring. Hier war schon geraeumt und viele weiterere Schneepfluege unterwegs. Bis kurz vor Ramersdorf alles in Ordnung, dann war ploetzlich nicht mehr geraeumt: „Ja da schau her, da hat einer verschlafen...“
Trotz schlitterns und schleichens landeten wir schliesslich am Iberia-CheckIn – noch vor dem Bodenpersonal. Das ist mir auch noch nicht passiert. Puenktlich sitze ich im Flieger, puenktlich begibt er sich aufs Rollfeld... ich entspanne mich. Wird schon alles klappen. Auf eine Uebernachtung in Madrid habe ich irgendwie nicht so viel Lust.
Dann bremst das Flugzeug und ein komischer Laster mit 2 Armen naehert sich. Aha, das scheinen die beruechtigten Enteisungsmaschinen zu sein... Und schon rinnt eine rote Sosse ueber das Flugzeug und die Fenster. Prost Mahlzeit. Die Herrschaften neben mir werden langsam unruhig. Ja, sie fliegen weiter nach Buenos Aires und haben nur 2 Stunden Aufenthalt in Madrid. WAAAS??? Ich hab ne halbe Stunde weniger, die sollen sich nicht so haben – ich erklaere ihnen den Weg. Da sind wir endlich fertig fuer den Start. Eine Stunde Verspaetung.
Landung. Handgepaeck gepackt. Losgesprintet. 15 Minuten fuer den Weg gebraucht, fuer den normalerweise ueber eine halbe Stunde veranschlagt wird. Hochrot und ausser Atem sprinte ich die letzte Rolltreppe hoch. Ein Spanier winkt mir beruhigend zu und faselt etwas von schlechtem Service und dass die ihre Passagiere ganz schoen fertig machen. Ich sitze im Flugzeug. Neben mir eine Schweizerin, die ihren Flug nach Quito am Vortag verpasst hat. Das ganze Flugzeug voll von rueckkehrenden Auswanderern aus Ecuador. Teils sprechen sie eine wirre Mischung aus italienischen Brocken und Spanisch. Unterhalten sich ueber Arbeitgeber, Abschiebehaft und Aussichten in Ecuador. An Schlafen ist nicht zu denken, ausser mir scheint keiner muede zu sein.
Endlich setzt die Maschine nach 11 Std. zum spektakulaeren Landeanflug an. Ich bin am Verhungern, denn wenn das Essen auch ganz gut war, es war viel zu wenig und liess auf sich warten. Durch die Wolkendecke spitzen die ersten Bergriesen. Der Anflug an Quito ist der tollste, den ich bisher kenne. Immer mit Wolkenschwaden und dunklen Gipfeln verbunden, gibt er einen Vorgeschmack auf das Hochland voll Legenden, Trollen, Geistern und voll Menschen, die ein Gespuer fuer solch uebersinnliche Dinge haben. Dann durchbrechen wir die Wolkendecke – kurz vor 6 Uhr haben wir noch Tageslicht. Die Seitentaeler der ecuadorianischen Hauptstadt liegen vor uns. Das Liga-Stadion, in der Ferne spitzt der ueber 6.000 m hohe Vulkankegel des Cotopaxi herueber, der ueber 5.000 m immer mit Schnee bedeckt ist. Der Cotopaxi scheint ruhig, in ihm brennt aber noch ein Feuer. Seit einigen Jahren erwaermt er sich – kein gutes Zeichen, denn der Statistik zufolge ist es schon wieder Zeit fuer einen Ausbruch. Dann wuerde die Schneekuppe wegschmelzen und Sturzbaeche aus schmelzendem Eis und Lava ueber die angrenzenden Doerfer und Staedte, z.B. Latacunga, gehen. Ein gewaltiger Vulkanausbruch ist ueberliefert, bei dem der Lavastrom bis zur ecudorianischen Kueste reichte.
Willy hat kuerzlich irgendwo gelesen, dass in Quito im letzten Jahr 336 Erdbeben gemessen wurden.
Ziemlich bald stellt sich heraus, dass mein Koffer in Madrid nicht so schnell war, wie ich. Ich muss eine Vermisstenmeldung aufgeben – meine Geduld wird gleich zur Begruessung auf die Probe gestellt. Im Gegensatz zu diversen anderen Reisenden – interessanter Weise v.a. Ecuadorianern – nehme ich es mit Humor und werde entsprechend zuvorkommend behandelt. Dann stuerze ich mich in die Menschenmasse am Ausgang. Es gibt nur einen fuer alle ankommenden Reisenden von internationalen Fluegen. Alles ist voll Schilder, Luftballons, Grossfamilien. Wie soll ich den Willy da nur finden? Ich gehe hinaus. Wieder hinein. Wieder hinaus. Ist er vielleicht schon gegangen? Was jetzt? Taxi nehmen? Da kommt er angesprungen. Braungebrannt und mit einem breiten Grinsen im Gesicht „Wo warst Du denn? Ich dachte, Du waerst vielleicht schon heimgefahren.“ Die ecuadorianische Nacht empfaengt mich mit etwa 15 Grad. Mir ist heiss. In der Nacht wird die Temparatur auf etwa 7 Grad fallen.
Zu Hause angekommen stellt sich heraus, dass meine Ankunft doch schon bekannt war „sonst haette ich das ganze Haus alleine aufraeumen muessen“, erklaert Willy. Den Rest des Abends habe ich seine beiden Nichten Nataly (6) und Shahiren (4) am Hals haengen. Alle sind da. Die Eltern, die Oma, die Geschwister. Und die zwei Rottweiler Max und Nerón. Ich kann nicht allein aufs Klo gehen, weil die beiden immer vor der Tuer liegen.
Nach einer kraeftigen Huehnersuppe bin ich nochmal gefordert: Wer kann am besten Seilspringen? Auch wenn ich die duenne Hoehenluft etwas spuere – so schlecht komme ich garnicht weg. Dann spielen wir Tauziehen, bis wir kaum noch Haut auf den Haenden haben – und ab ins Bett .
Der Sonntag begruesst mich mit strahlendem Sonnenschein. Mein Kopf brummt ein bisschen. Kurz gefruehstueckt: wie habe ich sie vermisst: die Colada de Dulce, ein dickfluessiges Suessgetraenk aus Mehl, Zimt und Zucker, das den Bauch so voll macht, dass man kaum noch gehen kann.
Dann geht es zum Fussballspiel. Mir ist heiss. Ich hab mir ein Kaeppchen aufgesetzt, die Sonnencreme ist noch in meinem Koffer unterwegs. Der Sonnenbrand laesst nicht auf sich warten – und zwar dort, wo die Kappe eigentlich Schatten gespendet hat: Mein Gesicht leuchtet, im Gegensatz zu meinem Arm, wo die Sonne eigentlich direkt hingestrahlt hat. Interessanter Sachverhalt...
Wir betreten das Olmpiastadion „Estadio Olímpico de Atahualpa“. Atahualpa war der letzte Inka-Koenig. Tragische Geschichte. Ich hab Willy schon mal vorgeschlagen, unseren Sohn so.zu nennen, wenn wir irgendwann mal einen haben sollten. Er war nicht so begeistert.
Heute spielt Deportivo Quito (Willys Mannschaft) gegen El Nacional (ebenfalls Quitoer Mannschaft). Die geballte Emotion im Stadion ueberwaeltigt mich. So viel Gefuehl auf einmal bin ich garnicht mehr gewohnt – eine Gaensehaut laeuft mir ueber den Ruecken. Es riecht sehr lecker nach den Speisen, die die Leute zwischen den Reihen verkaufen: Schweinebraten (Fritada) mit gekochtem Mais (Mote), Chilisosse (Ají), Empanadas (Teigtaschen). Mir laeuft das Wasser im Mund zusammen. Mein Nachbar drueckt mir eine Hand voll Zeitungsschnipsel in die Hand. Willy bekommt zusaetzlich eine gelbe Kassenzettelrolle, wie sie in Supermarktkassen immer als Kopie mitlaeuft (gibt es auch in rosa, ich hoffe, Ihr wisst, was ich meine). Soviel zum Thema Datenschutz. Auf unserer Rolle konnte man die Anzahl und das Ziel der Telefonate pro Tag in einem Telefongeschaeft in der Avenida Amazonas nachlesen.
Dann beginnt das Spiel und mit ihm die Gesaenge der Fans. Pongan bolas! (Setzt Eure Eier ein), Desde la plaza sales como un símbolo sexual. (Du gehst als Sexsymbol vom Platz.). Beim Einmarsch geht ein Regen aus Zeitungsschnipseln nieder. Die Kassenzettelrollen fliegen durch die Luft und werden dabei zu langen Schlangen.
Das Spiel beginnt. Bald gibt es einen Elfmeter fuer Deportivo Quito, kurz darauf faellt das Ausgleichstor von El Nacional. Dann passiert nichts mehr. Selbst mir bleibt es nicht verborgen, dass das Spiel nicht gut ist. Der Kapitaen von Deportivo Quito spielt auch in der Nationalmannschaft...
Zwischendurch bekomme ich eine Gratiszeitschrift in die Hand gedrueckt – Sonntagsbeilage von El Comercio, einer der groessten Tageszeitungen Ecuadors. Etwas gelangweilt blaettere ich, bis ich in der Mitte auf ein Poster von Michael Ballack stosse. Meine Freude erhoeht sich, als ich den Text neben dem Bild lese – hier eine Uebersetzung:
„Bitte, liebe Fans, reisst dieses Poster heraus, haengt es auf... und beginnt, es mit Pfeilen zu bombardieren! Voudou zu praktizieren, ist garnicht schlecht. Denn dieser offensive Angreifer ist das Gehirn von Deutschland, vielleicht der einzige, der momentan im deutschen Team an die Hoehe alter Spielerfiguren wie Karl-Heinz Rummenigge, Lothar Matthaus, Rudz Voeller und andere heranreicht. Seine Anwesenheit im Mittelfeld gibt einem blassen und unemotionalen Spielerhaufen Gleichgewicht. Ausserdem gibt er die Baelle wie eine Maschine an den Sturm weiter und verfuegt ueber eine gewisse Macht in der Flanke. Das schlechte an ihm ist seine Einstellung: Die Fans von Bayern Muenchen beschuldigen ihn, sich nicht genug anzustrengen. Hoffentlich behaelt er diese wurschtige Einstellung in der Weltmeisterschaft bei, vor allem im Duell mit Ecuador: Bis dahin – gebt es ihm mit Euren Pfeilen!“
Etwas Spannung kommt auf, als die Fans des Deportivo Quito aufgefordert werden, ein Riesentransparent abzunehmen, das sie zwischen dem Spielfeld und den Zuschauern an ein Gitter angeknuepft hatten, so dass dahinter niemand mehr was sehen konnte. Per Lautsprecher werden sie mehrfach aufgefordert, es zu entfernen. Als sie nicht Folge leisten, wird das Spiel unterbrochen. Unten ziehen sich einige Polizisten zusammen oben toben die Fans – nunmehr in sich gespalten, in die, die das Transparent dabehalten wollen und die, die einfach nur Fussball sehen wollen. Riesengeschrei. Ein Spieler von Deportivo Quito kommt und spricht mit den Fans. Riesengeschrei. Ein junger Mann mit nacktem Oberkoerper klettert hoch und beginnt die Knoten zu loesen. Orangen, die man am Eingang fuer 1 USD geschaelt kaufen kann, fliegen durch die Luft. Er steigt wieder herunter. Der Spieler kommt wieder gelaufen. Riesengeschrei. Dann nehmen zwei Fans das Transparent ab. Das Spiel geht nach 5 Minuten wieder weiter...
Zu Hause gibt es Berge von Tortillas (eine Art Kartoffelknoedel) mit Caucara – kleinen Fleischstueckchen – mit Spiegelei, rote Beete, Salat und Avocado. Ich esse, bis ich fast platze. Mein Lieblingsessen in Ecuador!!!
So und wenn Ihr bis hierher gelesen habt, gratuliere ich Euch sehr herzlich, wuensche Euch eine gute Zeit und bis bald. N.
P.S.: Meinen Koffer und die Sonnencrem habe ich inzwischen auch hier...
In den letzten 2 Tagen habe ich einiges erlebt, deswegen fang ich einfach bei Adam und Eva an. Dankenswerter Weise hatte sich am Freitag Abend mein Chauffeur, mein Vater, bei mir eingefunden. Trotzdem machten wir aus, dass wir um 4:15 aufstehen, falls es schneien sollte und wir doch mit der S-Bahn fahren muessen. Der Wecker klingelt, ich steh auf und suche langsam aber sicher meine 7 Sachen zusammen, als sich die Tuer oeffnet: „Beeil Dich, es hat geschneit! Ich weiss nicht, ob die schon vor 5 in der Frueh den Mittleren Ring raeumen...“. Oh, herzallerliebstes Jesuskind, womit habe ich das verdient? In Madrid habe ich nicht soviel Zeit, um umzusteigen, der Anschlussflug geht 1,5 Std. nach Ankunft... HOFFENTLICH haben wir nicht zu viel Verspaetung!!!
Zehn vor 5 waren wir auf der Piste und schlichen ueber 5 cm Neuschnee zum Mittleren Ring. Hier war schon geraeumt und viele weiterere Schneepfluege unterwegs. Bis kurz vor Ramersdorf alles in Ordnung, dann war ploetzlich nicht mehr geraeumt: „Ja da schau her, da hat einer verschlafen...“
Trotz schlitterns und schleichens landeten wir schliesslich am Iberia-CheckIn – noch vor dem Bodenpersonal. Das ist mir auch noch nicht passiert. Puenktlich sitze ich im Flieger, puenktlich begibt er sich aufs Rollfeld... ich entspanne mich. Wird schon alles klappen. Auf eine Uebernachtung in Madrid habe ich irgendwie nicht so viel Lust.
Dann bremst das Flugzeug und ein komischer Laster mit 2 Armen naehert sich. Aha, das scheinen die beruechtigten Enteisungsmaschinen zu sein... Und schon rinnt eine rote Sosse ueber das Flugzeug und die Fenster. Prost Mahlzeit. Die Herrschaften neben mir werden langsam unruhig. Ja, sie fliegen weiter nach Buenos Aires und haben nur 2 Stunden Aufenthalt in Madrid. WAAAS??? Ich hab ne halbe Stunde weniger, die sollen sich nicht so haben – ich erklaere ihnen den Weg. Da sind wir endlich fertig fuer den Start. Eine Stunde Verspaetung.
Landung. Handgepaeck gepackt. Losgesprintet. 15 Minuten fuer den Weg gebraucht, fuer den normalerweise ueber eine halbe Stunde veranschlagt wird. Hochrot und ausser Atem sprinte ich die letzte Rolltreppe hoch. Ein Spanier winkt mir beruhigend zu und faselt etwas von schlechtem Service und dass die ihre Passagiere ganz schoen fertig machen. Ich sitze im Flugzeug. Neben mir eine Schweizerin, die ihren Flug nach Quito am Vortag verpasst hat. Das ganze Flugzeug voll von rueckkehrenden Auswanderern aus Ecuador. Teils sprechen sie eine wirre Mischung aus italienischen Brocken und Spanisch. Unterhalten sich ueber Arbeitgeber, Abschiebehaft und Aussichten in Ecuador. An Schlafen ist nicht zu denken, ausser mir scheint keiner muede zu sein.
Endlich setzt die Maschine nach 11 Std. zum spektakulaeren Landeanflug an. Ich bin am Verhungern, denn wenn das Essen auch ganz gut war, es war viel zu wenig und liess auf sich warten. Durch die Wolkendecke spitzen die ersten Bergriesen. Der Anflug an Quito ist der tollste, den ich bisher kenne. Immer mit Wolkenschwaden und dunklen Gipfeln verbunden, gibt er einen Vorgeschmack auf das Hochland voll Legenden, Trollen, Geistern und voll Menschen, die ein Gespuer fuer solch uebersinnliche Dinge haben. Dann durchbrechen wir die Wolkendecke – kurz vor 6 Uhr haben wir noch Tageslicht. Die Seitentaeler der ecuadorianischen Hauptstadt liegen vor uns. Das Liga-Stadion, in der Ferne spitzt der ueber 6.000 m hohe Vulkankegel des Cotopaxi herueber, der ueber 5.000 m immer mit Schnee bedeckt ist. Der Cotopaxi scheint ruhig, in ihm brennt aber noch ein Feuer. Seit einigen Jahren erwaermt er sich – kein gutes Zeichen, denn der Statistik zufolge ist es schon wieder Zeit fuer einen Ausbruch. Dann wuerde die Schneekuppe wegschmelzen und Sturzbaeche aus schmelzendem Eis und Lava ueber die angrenzenden Doerfer und Staedte, z.B. Latacunga, gehen. Ein gewaltiger Vulkanausbruch ist ueberliefert, bei dem der Lavastrom bis zur ecudorianischen Kueste reichte.
Willy hat kuerzlich irgendwo gelesen, dass in Quito im letzten Jahr 336 Erdbeben gemessen wurden.
Ziemlich bald stellt sich heraus, dass mein Koffer in Madrid nicht so schnell war, wie ich. Ich muss eine Vermisstenmeldung aufgeben – meine Geduld wird gleich zur Begruessung auf die Probe gestellt. Im Gegensatz zu diversen anderen Reisenden – interessanter Weise v.a. Ecuadorianern – nehme ich es mit Humor und werde entsprechend zuvorkommend behandelt. Dann stuerze ich mich in die Menschenmasse am Ausgang. Es gibt nur einen fuer alle ankommenden Reisenden von internationalen Fluegen. Alles ist voll Schilder, Luftballons, Grossfamilien. Wie soll ich den Willy da nur finden? Ich gehe hinaus. Wieder hinein. Wieder hinaus. Ist er vielleicht schon gegangen? Was jetzt? Taxi nehmen? Da kommt er angesprungen. Braungebrannt und mit einem breiten Grinsen im Gesicht „Wo warst Du denn? Ich dachte, Du waerst vielleicht schon heimgefahren.“ Die ecuadorianische Nacht empfaengt mich mit etwa 15 Grad. Mir ist heiss. In der Nacht wird die Temparatur auf etwa 7 Grad fallen.
Zu Hause angekommen stellt sich heraus, dass meine Ankunft doch schon bekannt war „sonst haette ich das ganze Haus alleine aufraeumen muessen“, erklaert Willy. Den Rest des Abends habe ich seine beiden Nichten Nataly (6) und Shahiren (4) am Hals haengen. Alle sind da. Die Eltern, die Oma, die Geschwister. Und die zwei Rottweiler Max und Nerón. Ich kann nicht allein aufs Klo gehen, weil die beiden immer vor der Tuer liegen.
Nach einer kraeftigen Huehnersuppe bin ich nochmal gefordert: Wer kann am besten Seilspringen? Auch wenn ich die duenne Hoehenluft etwas spuere – so schlecht komme ich garnicht weg. Dann spielen wir Tauziehen, bis wir kaum noch Haut auf den Haenden haben – und ab ins Bett .
Der Sonntag begruesst mich mit strahlendem Sonnenschein. Mein Kopf brummt ein bisschen. Kurz gefruehstueckt: wie habe ich sie vermisst: die Colada de Dulce, ein dickfluessiges Suessgetraenk aus Mehl, Zimt und Zucker, das den Bauch so voll macht, dass man kaum noch gehen kann.
Dann geht es zum Fussballspiel. Mir ist heiss. Ich hab mir ein Kaeppchen aufgesetzt, die Sonnencreme ist noch in meinem Koffer unterwegs. Der Sonnenbrand laesst nicht auf sich warten – und zwar dort, wo die Kappe eigentlich Schatten gespendet hat: Mein Gesicht leuchtet, im Gegensatz zu meinem Arm, wo die Sonne eigentlich direkt hingestrahlt hat. Interessanter Sachverhalt...
Wir betreten das Olmpiastadion „Estadio Olímpico de Atahualpa“. Atahualpa war der letzte Inka-Koenig. Tragische Geschichte. Ich hab Willy schon mal vorgeschlagen, unseren Sohn so.zu nennen, wenn wir irgendwann mal einen haben sollten. Er war nicht so begeistert.
Heute spielt Deportivo Quito (Willys Mannschaft) gegen El Nacional (ebenfalls Quitoer Mannschaft). Die geballte Emotion im Stadion ueberwaeltigt mich. So viel Gefuehl auf einmal bin ich garnicht mehr gewohnt – eine Gaensehaut laeuft mir ueber den Ruecken. Es riecht sehr lecker nach den Speisen, die die Leute zwischen den Reihen verkaufen: Schweinebraten (Fritada) mit gekochtem Mais (Mote), Chilisosse (Ají), Empanadas (Teigtaschen). Mir laeuft das Wasser im Mund zusammen. Mein Nachbar drueckt mir eine Hand voll Zeitungsschnipsel in die Hand. Willy bekommt zusaetzlich eine gelbe Kassenzettelrolle, wie sie in Supermarktkassen immer als Kopie mitlaeuft (gibt es auch in rosa, ich hoffe, Ihr wisst, was ich meine). Soviel zum Thema Datenschutz. Auf unserer Rolle konnte man die Anzahl und das Ziel der Telefonate pro Tag in einem Telefongeschaeft in der Avenida Amazonas nachlesen.
Dann beginnt das Spiel und mit ihm die Gesaenge der Fans. Pongan bolas! (Setzt Eure Eier ein), Desde la plaza sales como un símbolo sexual. (Du gehst als Sexsymbol vom Platz.). Beim Einmarsch geht ein Regen aus Zeitungsschnipseln nieder. Die Kassenzettelrollen fliegen durch die Luft und werden dabei zu langen Schlangen.
Das Spiel beginnt. Bald gibt es einen Elfmeter fuer Deportivo Quito, kurz darauf faellt das Ausgleichstor von El Nacional. Dann passiert nichts mehr. Selbst mir bleibt es nicht verborgen, dass das Spiel nicht gut ist. Der Kapitaen von Deportivo Quito spielt auch in der Nationalmannschaft...
Zwischendurch bekomme ich eine Gratiszeitschrift in die Hand gedrueckt – Sonntagsbeilage von El Comercio, einer der groessten Tageszeitungen Ecuadors. Etwas gelangweilt blaettere ich, bis ich in der Mitte auf ein Poster von Michael Ballack stosse. Meine Freude erhoeht sich, als ich den Text neben dem Bild lese – hier eine Uebersetzung:
„Bitte, liebe Fans, reisst dieses Poster heraus, haengt es auf... und beginnt, es mit Pfeilen zu bombardieren! Voudou zu praktizieren, ist garnicht schlecht. Denn dieser offensive Angreifer ist das Gehirn von Deutschland, vielleicht der einzige, der momentan im deutschen Team an die Hoehe alter Spielerfiguren wie Karl-Heinz Rummenigge, Lothar Matthaus, Rudz Voeller und andere heranreicht. Seine Anwesenheit im Mittelfeld gibt einem blassen und unemotionalen Spielerhaufen Gleichgewicht. Ausserdem gibt er die Baelle wie eine Maschine an den Sturm weiter und verfuegt ueber eine gewisse Macht in der Flanke. Das schlechte an ihm ist seine Einstellung: Die Fans von Bayern Muenchen beschuldigen ihn, sich nicht genug anzustrengen. Hoffentlich behaelt er diese wurschtige Einstellung in der Weltmeisterschaft bei, vor allem im Duell mit Ecuador: Bis dahin – gebt es ihm mit Euren Pfeilen!“
Etwas Spannung kommt auf, als die Fans des Deportivo Quito aufgefordert werden, ein Riesentransparent abzunehmen, das sie zwischen dem Spielfeld und den Zuschauern an ein Gitter angeknuepft hatten, so dass dahinter niemand mehr was sehen konnte. Per Lautsprecher werden sie mehrfach aufgefordert, es zu entfernen. Als sie nicht Folge leisten, wird das Spiel unterbrochen. Unten ziehen sich einige Polizisten zusammen oben toben die Fans – nunmehr in sich gespalten, in die, die das Transparent dabehalten wollen und die, die einfach nur Fussball sehen wollen. Riesengeschrei. Ein Spieler von Deportivo Quito kommt und spricht mit den Fans. Riesengeschrei. Ein junger Mann mit nacktem Oberkoerper klettert hoch und beginnt die Knoten zu loesen. Orangen, die man am Eingang fuer 1 USD geschaelt kaufen kann, fliegen durch die Luft. Er steigt wieder herunter. Der Spieler kommt wieder gelaufen. Riesengeschrei. Dann nehmen zwei Fans das Transparent ab. Das Spiel geht nach 5 Minuten wieder weiter...
Zu Hause gibt es Berge von Tortillas (eine Art Kartoffelknoedel) mit Caucara – kleinen Fleischstueckchen – mit Spiegelei, rote Beete, Salat und Avocado. Ich esse, bis ich fast platze. Mein Lieblingsessen in Ecuador!!!
So und wenn Ihr bis hierher gelesen habt, gratuliere ich Euch sehr herzlich, wuensche Euch eine gute Zeit und bis bald. N.
P.S.: Meinen Koffer und die Sonnencrem habe ich inzwischen auch hier...
... comment
rh_,
Dienstag, 7. März 2006, 08:45
Das war noch gar nichts
Huhu, Klasse Abenteuer, aber den ganz dicken Schnee hast Du ganz knapp verpaßt, wir konnten am Sonntag herrlich darin herumtollen, aber der ÖPNV war komplett ausgefallen. Schöne Grüße, auch von Raquelita!
... link
... comment
eisheilige,
Dienstag, 7. März 2006, 15:38
Deutschland gegen Ecuador keine Chance!
Ich freu mich ja schon riesig auf das Spiel Deutschland - Ecuador am 20. Juni. Bestimmt hilft Voudou gegen Ballack, ist allerdings gar nicht notwendig: Auf Focus TV kam nämlich gestern Abend eine Reportage über die Deutsche Nationalelf. Fazit: Die Jungs sind total schlapp, hieß es darin, keine Kondition, können nicht mal 65 Zentimeter hoch aus dem Stand springen. Ich wollte dann gleich ausprobieren, wie hoch ich aus dem Stand springen kann, dann fiel mir aber noch rechtzeitig ein, dass zwischen mir und der Zimmerdecke nicht mal 40 Zentimeter sind ...
Hinzu kommt: Die Schlagzeilen heute lauten, dass Klinsmann als Bundestrainer nicht mehr lange tragbar ist bzw. "Watschn für Klinsi". Wer wird also den deutschen Fußball retten? Die "Lichtgestalt" selbst oder vielleicht unser Ministerpräsident höchst persönlich?
Kurzum: Ich wette jetzt schon mal ein Bier, dass Ecuador am 20. Juni Deutschland vernichtend schlägt :-)
Gruß aus München, das im Schnee ertrinkt - am Sonntag wurde wegen des Schnees der gesamte S-Bahn, Tram- und Busverkehr eingestellt!!! Du hast also gerade noch rechtzeitig den Absprung geschafft!
Hinzu kommt: Die Schlagzeilen heute lauten, dass Klinsmann als Bundestrainer nicht mehr lange tragbar ist bzw. "Watschn für Klinsi". Wer wird also den deutschen Fußball retten? Die "Lichtgestalt" selbst oder vielleicht unser Ministerpräsident höchst persönlich?
Kurzum: Ich wette jetzt schon mal ein Bier, dass Ecuador am 20. Juni Deutschland vernichtend schlägt :-)
Gruß aus München, das im Schnee ertrinkt - am Sonntag wurde wegen des Schnees der gesamte S-Bahn, Tram- und Busverkehr eingestellt!!! Du hast also gerade noch rechtzeitig den Absprung geschafft!
... link
djauhara,
Donnerstag, 9. März 2006, 21:06
Trickot im Trockenen
Liebe Eisheilige,
schoen, dass Du Dich so fuer Ecuador freust und einsetzt. Das Belohnungstrickot ist schon genaeht.
Ich hoffe, Ihr alle bekommt noch Luft zwischen dem ganzen Schnee!!!
Lieben Gruss an alle
schoen, dass Du Dich so fuer Ecuador freust und einsetzt. Das Belohnungstrickot ist schon genaeht.
Ich hoffe, Ihr alle bekommt noch Luft zwischen dem ganzen Schnee!!!
Lieben Gruss an alle
... link
... comment
gagi,
Dienstag, 7. März 2006, 16:09
Puh!
Hallo Nadine, geschafft! Dein Bericht ist ja super ausführlich! Toll! Lasst es Euch gut gehen, während wir hier nicht mehr aus der Garage fahren können, weil wir, selbst wenn wir schaufeln würden, gar nicht wissen, wohin mit dem Schnee. Der Vorgarten ist schon über zaunhoch voll mit dem Schnee, um überhaupt zum Gehsteig zu kommen! Liebe Grüße Gabriele
... link
... comment